Veranstaltung: | Kommunalwahlprogramm 2019 |
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Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | KMV Potsdam |
Beschlossen am: | 16.02.2019 |
Eingereicht: | 05.03.2019, 17:11 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Stadtentwicklung: Mieten runter, Lebensqualität hoch!
Text
Potsdams Struktur ist einerseits durch die Lage in dem sich verdichtenden Süd-
West-Raum von Berlin und andererseits durch zahlreiche sehr unterschiedliche
Stadtteile südlich und nördlich der Havel geprägt.
Alles eint die heutige Anforderung einer klimaneutralen Stadtentwicklung, die
konsequenter als bisher, Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels
berücksichtigen muss.
Gleichzeitig müssen die Grundlagen für eine lebendige vielfältige
Stadtgesellschaft erhalten und wieder neu gestärkt werden.
Die aus all dem resultierenden sehr unterschiedlichen Ziele, auch Zielkonflikte,
erfordern eine besondere Baukultur, die bürgerschaftliches Engagement,
fachlichen Ratschlag und transparente Entscheidungsprozesse zusammenführt.
Wachstum abfedern und gestalten
Potsdam entwickelt sich erfolgreich zu einem hochattraktiven Wohn- und
Geschäftsstandort. Das belebt die Stadt und erzeugt zudem größere Spielräume.
Doch entstehen mit dem extrem schnellen Bevölkerungszuwachs Konflikte durch zu
große Verdichtung, erhöhte Anforderungen an Inftrastrukturflächen, Mobilität,
Belastung der natürlichen Ressourcen und der Lebensqualität. Potsdam muss das
Wachstum sozialverträglich regulieren.
Dafür machen wir uns stark:
- effiziente Nutzung versiegelter Flächen, beispielsweise durch Sportflächen
auf Flachdächern, bei Gewerbeflächen wenn möglich durch
Gebäudeaufstockungen
- Wachstum entlang der Verkehrstrassen (S+Bahn, bestehende und mögliche,
künftige Tramlinien, Bussystem, Rad(Schnell)wege bzw. Errichtung neuer
Wohngebiete möglichst zeitgleich in Verbindung mit der Errichtung sozialer
und Verkehrsinfrastruktur
- Umwidmung von größeren Parkplatzflächen und Garagenstandorten für
Wohnbebauung und Sportflächen
- Verdichtung der Wohngebiete vor allem dort, wo kommunales Eigentum,
niedrigere Mieten und bessere Verkehrsanbindungen bestehen
- Neue Bauvorhaben unter Berücksichtigung der Interessen der
Nachbarbevölkerung, der gewachsenen Strukturen und des
landschaftskulturellen Charakters behutsam entwickeln, keine breite
Zersiedelung
Begrenzung des Mietenanstiegs durch strategische
Bodenpolitik
Ansteigende Mieten und der Austausch der Potsdamer Stadtbevölkerung durch
Verdrängung der mittleren Einkommensschichten an die Randgemeinden von Potsdam
beängstigt viele Potsdamer*innen. Wir wollen, dass alle, die hier leben, in
ihrem vertrauten Kiez zu sozialverträglichen Mieten bleiben können.
Das Gleichgewicht der Interessen durch die Ausgestaltung von Mietrecht und
Steuerpolitik auf Bundesebene ist zuungunsten der Mieter gestört, die so
bewirkte Steigerung der Mieten fällt durch das schnelle Wachstum in Potsdam
besonders stark aus. Zwar haben die Sanierungssatzungen den Mietenanstieg
verlangsamt, und wurde 20 % städtisches Wohneigentum bewahrt, das zusammen mit
dem genossenschaftlichen Eigentum in der Stadt zur Senkung des Mietspiegels
beiträgt.
Der zunehmend hohe Anteil der Mieten am Einkommen und eine zunehmende Gefährdung
der sozialen Vielfalt in den Stadtteilen stören das soziale Klima und den
gesellschaftlichen Zusammenhalt empfindlich. Neue, energische Maßnahmen sind
dringend erforderlich, um koordiniert auf Bundes-, auf Landes- und auf
Stadtebene Mieten- und Bodenspekulation einzudämmen.
Dafür machen wir uns stark:
- 30% des Wohnungsbauaufkommens soll als geförderter sozialer Wohnungsbau
ausgeführt werden
- Erhöhung der Beteiligung von Wohnungsbauinvestor*innen an den Kosten der
durch ein Neubauvorhaben verursachten Bedarfe an sozialer Infrastruktur
(z.B. Kitaplätze) nach dem sogenannten Potsdamer Baulandmodell
- Konsequente Umsetzung des Wohnungspolitischen Konzeptes der Stadt Potsdam
- Nutzung des bisher erfolgreichen Instruments der Sanierungssatzung zur
Verlangsamung des Mietanstiegs in den dafür geeigneten Stadtgebieten
- Rechtssichere Mietpreisbremse in Potsdam
- Bewahrung von 20 % städtischem Wohneigentum am Gesamtbestand, d.h. stetige
Neubauinvestition durch die städtische Pro Potsdam
- Bodenmanagement zum Erhalt und Erwerb wichtiger Entwicklungsgrundstücke,
ohne zugleich wertvolle Naturräume infrage zu stellen
- Priorität der eigenen Entwicklung städtischer Flächen gegenüber dem
Verkauf, Stärkung des Erbbaurechts zur Erreichung einer niedrigeren
Kostenmiete, so z.B. in Krampnitz
- Einkauf von Flächen in Neubaugebieten (Bodenmanagement als Ausgangspunkt
im Kampf gegen steigende Mieten, z.B. Brauhausberg, Gartenstadt Drewitz)
- konsequente Nutzung von kommunalen Vorkaufsrechten zum Aufbau eines
städtischen Flächenpools aus dem Grundstücke in Erbbaupacht vergeben
werden können und Nutzung von kommunalen Vorkaufsrechten zu Gunsten
Dritter gemeinwohlorientierter Wohnungsmarktakteure
- Unterstützung von genossenschaftlichem Wohnen
- Sicherung der Wohnfunktion in der barocken Innenstadt und in Babelsberg,
keine gewerbliche Nutzung von Wohnflächen
- Kontrolle der kommerziellen Fremdnutzung von Wohnungen bzw. nach
Möglichkeit Umnutzungsverbot (z.B. Airbnb), Regulierung von
Urlaubsvermietung
- Sicherung von Flächen für den Bau von Studierendenwohnheimen
- grundsätzlich Vermeidung von Verkäufen von Grundstücken in städtischem
Besitz
- Grundstücksverkauf (wenn unvermeidbar) nicht nach Höchstgebot, sondern nur
nach einer stärker am Gemeinwohl orientierten Konzeptvergabe wie in den
Sanierungsgebieten
- enge vertragliche Absicherung wie am Baufeld 3 in der Potsdamer Mitte
(Punktesystem, das sozialverträgliches, energieeffizientes, klimaneutrales
und gestalterisch qualitätsvolles Bauen begünstigt, kooperative
Entscheidungen)
Lebensqualität durch Baukultur
Potsdam hat herausragende Qualitäten durch bedeutende Bauten vom Barock und
Klassizismus bis zur Moderne des frühen 20. Jahrhunderts sowie der DDR-Zeit,
eingebettet in eine ökologisch und künstlerisch hochwertige Landschaft, die
zugleich Weltkulturerbe ist. Die erste Sanierungswelle nach 1990 hat bauliche
Originalsubstanz an Häusern und Straßen in vorbildlicher Weise bewahrt.
Weiterbauen heißt hier Verantwortung wahrnehmen und damit zugleich
Lebensqualität schützen.
Dafür machen wir uns stark:
- Beachtung der Klimaanforderungen sowie des städtebaulichen und
gestalterischen Kontextes bzw. des Ensemblegedankens im zeitgenössischen
Bauen
- Mut zu modernen Bauformen
- öffentliche Sitzungen des Gestaltungsrates zur Steigerung der Bauqualität
- Würdigung der DDR-Architektur, Erhalt des Minsk, Qualität der DDR-
Wohnviertel wahren und weiterentwickeln
- Sanierungen nach besten energetischen Möglichkeiten
- Berücksichtigung des Denkmalschutzes und des Umgebungsschutzes für
Denkmale und für die UNESCO-Welterbelandschaft
- Erhalt und Ertüchtigung der Natursteinpflasterstraßen dort, wo Belange der
Barrierefreiheit und der Fahrradfreundlichkeit nicht im Wege stehen. In
der Innenstadt sind alle Straßen, besonders die Natursteinpflasterstraßen,
zu Lasten der Parkplatzstreifen so umzugestalten, dass Barrierefreiheit
gegeben und komfortabler Fahrradverkehr möglich ist.
Lebendige Stadtteile, lebendige Mitten
Jeder Stadtteil hat seine Individualität. Sie reichen von den dörflichen
Bereichen im Norden, über die historisch geprägten Brandenburger-, Nauener und
Berliner Vorstädte, die Mitte und Babelsberg bis zu den DDR-Plattenbaugebieten
von Potsdam-West, Mitte-Süd, Zentrum Ost, Stern, Drewitz, Waldstadt und Schlaatz
sowie zu den neuen Stadtteilen Kirchsteigfeld, Bornstedter Feld, Potsdam-Center
und Speicherstadt.
Es gilt, für eine breite gesellschaftliche Durchmischung von
Bevölkerungsschichten innerhalb der Stadtteile, für gleichberechtigtes Wohnen
von Jung und Alt, von Menschen unterschiedlicher Bildungsniveaus und
Einkommensstärken zu sorgen.
Dafür machen wir uns stark:
- soziale und funktionale Durchmischung der einzelnen Stadtteile sichern
- Ermöglichung der Ausweisung von Milieuschutzgebieten
- Ausgewogenheit von Wohnen, Gewerbe und öffentlichen Einrichtungen
- stadtteilbezogene öffentliche Einrichtungen wie Kitas, Jugendtreffs,
Bügerhäuser sowie nicht-kommerzielle Begegnungsräume
- Mehrgenerationenhäuser in Gegenden mit guter Versorgung mit vernetzten
Einkaufsmöglichkeiten und Freizeitangeboten
- dezentrale medizinische Versorgung gewährleisten, evtl. in Ortsteilzentren
integrieren
- Stadteigene Gewerbeflächen vorrangig inhaber*ingeführten, nachhaltig
wirtschaftenden und gemeinwohlorientierten Projekten und Unternehmen zur
Verfügung stellen
- Regulierung des Wachstums durch das Baurecht (Bebauungspläne), Schutz der
Wohnfunktion
- Wir wollen bei neuen und bestehenden öffentlichen Plätzen
geschlechterdifferenzierte Analysen durchführen und die Sicherheit für
Frauen und andere diskriminierte Personengruppen gewährleisten.
Potsdamer Mitte weiterentwickeln
Die Stadt hat sich für die Gestaltung der Potsdamer Mitte mit dem
Landtagsschloss, der Haveluferbebauung, einem modernen Lustgarten und der
Qualifizierung der öffentlichen Platzflächen und Räume entschieden und sichtbare
Veränderungen bewirkt. Es wurden neue Erlebnisräume geschaffen und für die
weitere Entwicklung sozialpolitische und gestalterische Weichen gestellt. Der
lebhafte öffentliche Diskurs hat zur Qualifizierung der Beschlüsse geführt und
wird auch die weiteren Entscheidungen prägen. Ziel ist eine multifunktionale,
vor allem kulturaffine Stadtmitte, mit sozialverträglichen Mieten, hoher
gestalterischer Qualität und lebendigen Räumen. Mit den Planungsprozessen und
der sozialverträglichen Vergabe vor allem an Potsdamer
Wohnungsbaugenossenschaften ist das neue Quartier am Alten
Markt ein gelungener Modellfall für Deutschland. Um die Lebensqualität am
künftigen Quartier zu erhöhen, setzen wir uns u.a. für eine Qualifizierung der
Grünplanung ein.
Dafür machen wir uns stark:
- Weiterentwicklung der Potsdamer Mitte durch qualifizierte Verfahren und
Beteiligung der Öffentlichkeit am Südrand des Lustgartens und im
Zusammenhang mit dem Kunst-und Kreativ-Quartier an der Plantage/Feuerwache
(siehe Kapitel Kultur).
- Auch im Baufeld 4 an der Stadt- und Landesbibliothek Entwicklung
Konzeptvergabe mit gestalterischen, wirtschaftlichen und insbesondere
sozialen Kriterien, Prüfung eines Angebots altersgerechter Wohnungen.
- Beim Baukomplex Am Alten Markt 10 (Staudenhof) Einhaltung der
wirtschaftlichen, sozial- und wohnungspolitischen Prämissen sowie
Schaffung eines Modellquartiers für offene, kollektive Wohnformen und
nichtkommerzielle Begegnungsräume durch die Pro Potsdam.
- Mehr Bäume auf dem Alten Markt, Steubenplatz und Lustgarten.
Kommunale Forderungen an Bund und Land
Über den Deutschen Städtetag soll Potsdam mit folgenden Forderungen auf
grundlegende Änderungen auf Bundes- und Landesebene hinwirken.
Dafür machen wir uns stark:
- Kostenlose Abgabe von Grundstücken für gemeinnützigen Wohnungsbau und
soziale Infrastruktur an die Kommunen
- Förderungen gemeinnützigen, genossenschaftlichen Wohnungsbaus mit
deutlicher Erhöhung der Bindungsfristen
- Schaffung rechtlicher Grundlagen zum Aufbau einer kommunalen Bodenstiftung
(zur Sicherung öffentlicher Funktionen und des sozialen Wohnungsbaus)
- Novellierung des Mietrechts zur stärkeren Begrenzung des Mieteranstiegs
entsprechend dem „Münchner Ratschlag zur Bodenpolitik“, 2018
- bundeseinheitliche Regelung zur frühzeitigen Einbindung von Mietern zur
Abstimmung des tatsächlichen Sanierungsbedarfs von Wohnungen.Sanierung die nur der Wertsteigerung der Immobilien und einer Erhöhung der
Mieten dienen, wollen wir verhindern.
- Kreditaufnahme für das Studentenwerk für den Bau von
Studierendenwohnheimen zulassen
- Schaffung gesetzlicher Grundlagen zur Verhinderung gewerblicher Umnutzung
von Wohnraum, z.B. durch Airbnb und zur Verhinderung des spekualitiven
leer stehen lassens von Wohnraum