Veranstaltung: | Kommunalwahlprogramm 2019 |
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Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | KVM Potsdam |
Beschlossen am: | 16.02.2019 |
Eingereicht: | 05.03.2019, 21:49 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Mobilität neu denken: Verkehrswende für Potsdam!
Text
Potsdam wird immer noch vom Autoverkehr dominiert. Dies führt zu schlechter
Luft, hohen Treibhausgas-Emissionen, Lärm, langen Staus, zugeparkten Geh- und
Radwegen, zu wenig Investitionsmitteln für den öffentlichen Personennahverkehr
(ÖPNV) und vielen Unfallrisiken für Fußgänger und Radfahrer. Wir beobachten,
dass es zurzeit eine massive Verletzung der Flächengerechtigkeit gibt: Eine
Minderheit von Personen beansprucht mit dem PKW den größten Teil der Flächen im
Verkehrsraum; dies geschieht zulasten derer, die zu Fuß gehen oder das Rad
nutzen, im Verkehrsraum aber an den Rand gedrängt werden; Busse stehen zudem im
Stau.
Wir wollen, dass Potsdam wieder eine Stadt für alle wird, in der das öffentliche
Leben von Menschen und nicht von Autos geprägt ist. Dazu müssen der motorisierte
Individualverkehr reduziert und der Umweltverbund (ÖPNV, Fuß- und Radverkehr)
ausgebaut werden.
Auf dem Weg zur Fahrradstadt
Fahrradfahren schont das Klima, fördert die Gesundheit, erzeugt keine Abgase
oder Lärm und verursacht keine Staus. Der Ausbau eines guten Radwegenetzes ist
deutlich preisgünstiger und nachhaltiger als Investitionen in den Autoverkehr.
Der positive Effekt des Radverkehrskonzeptes ist spürbar, aber noch nicht
durchgreifend genug.
Dafür machen wir uns stark:
- den Anteil des Fahrradverkehrs auf mindestens 40% des gesamten
Verkehrsaufkommens (Modal Split) erhöhen.
- Förderung des Radverkehrs grundsätzlich nicht zu Lasten der
Fußgänger*innen, sondern zu Lasten der Parkflächen und Fahrbahnen.
- konsequente Umsetzung und Fortschreibung des Radverkehrskonzeptes.
- beschleunigte Realisierung der geplanten Radschnellwege nach Krampnitz,
Werder, Berlin, Stahnsdorf und Teltow.
- Abstellanlagen für Fahrräder an geeigneten Haltestellen des ÖPNV und
insbesondere an Bahnhöfen, ggf. zulasten von PKW-Parkplätzen (Bike&Ride).
- Mehr Abstellanlagen für Fahrräder anstelle von Autoparkplätzen vor
Einrichtungen und vor Mehrfamilienhäusern in Wohngebieten.
- Das Angebot von Leihrädern, auch Lastenfahrräder, stadtweit
weiterentwickeln - nicht nur im Stadtzentrum
- finanzielle Förderung der Anschaffung von Lastenrädern bei gleichzeitigem
Verzicht aufs Auto
- Ausbau der Uferwege: Hauptbahnhof bis Zeppelinstraße, Hauptbahnhof bis
Hermannswerder
- Mehr Öffentlichkeitsarbeit, z.B. 1 x pro Jahr kostenlose Fahrradklinik in
den Stadtteilen (gefördert durch die Stadt Potsdam).
- Solarfahrradwege prüfen
- Erhöhung der Fahrradfreundlichkeit auch von Natursteinpflasterstraßen
Ausbau des städtischen ÖPNV
Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) ist umweltverträglich, kostengünstig
und für viele Potsdamer*innen bereits eine gute Alternative zum Auto. Auch für
Fußgänger*innen und Fahrradfahrer*innen ist er eine Ergänzung, wenn der Weg zu
weit oder das Wetter schlecht ist. Damit aber noch mehr Menschen bereit sind,
vom Auto auf den ÖPNV umzusteigen, ist ein Umdenken in der städtischen
Verkehrsplanung hin zu deutlich mehr Investitionen in den Ausbau des ÖPNV nötig.
Dafür machen wir uns stark:
- gemeindeübergreifende Konzepte, bessere Abstimmungen mit dem Umland, einen
gemeinsamen Verkehrsbetrieb.
- Erweiterung des Tramnetzes (Bsp.: Verlängerung vom Campus Jungfernsee nach
Krampnitz und Fahrland und evtl. später weiter nach Marquardt, Verknüpfung
von Babelsberg und Stern, Verlängerung vom Endpunkt Kirschallee nach
Bornim, Anbindung von Eiche-Golm, Verlängerung nach Bergholz-Rehbrücke in
Kooperation mit Potsdam-Mittelmark)
- Erweiterung des Busliniennetzes: dabei wollen wir eine stärkere Vernetzung
des Liniennetzes durch Lückenschlüsse, eine bessere Einbindung von
Bahnhöfen und mehr Querverbindungen zu den sternförmigen Strecken in die
Innenstadt, bisher nicht angeschlossene Gebiete wie das Industriegebiet
Potsdam-Süd von Waldstadt aus anschließen, Fahrzeitverkürzungen durch
Buslinien in möglichst gerader Linie statt Schlangenlinien und in weiten
Bögen – dadurch nicht mehr erreichte Haltestellen müssen durch andere,
parallel führende Linien angefahren werden.
- zusätzliche Regionalbahnlinien gemeinsam mit den Umlandgemeinden
schaffen:- Stammbahn von Brandenburg HBF über Potsdam HBF über Griebnitzsee,
Dreilinden, Kleinmachnow nach Zehlendorf, dann parallel zur S1 zum
Potsdamer Platz und weiter nach Berlin HBF. - Spandau-Bahn von Potsdam HBF über Golm und Marquardt nach Berlin-
Spandau.
- Stammbahn von Brandenburg HBF über Potsdam HBF über Griebnitzsee,
- in jedem Stadtteil städtische Mobilitätsstationen zur Anmietung von
(Lasten-) Fahrrädern, (Elektro-) Rollern und (Elektro-) Autos mit Umstieg
auf ÖPNV aufbauen – inkl. eines integrierten Tarifsystems (Kombi-Tarife)
- günstige Jobtickets fördern (dabei sollte die Stadt als Vorbild für andere
Arbeitgeber vorangehen).
- Einführung des 365 Euro-Jahresticket, auch für Pendler*innen. Nach
Schaffung der landesgesetzlichen Grundlagen: Bürgerticket einführen.
- Park&Ride-Konzept aktualisieren und konsequent umsetzen (z.B. am Havel-
Nuthe-Center).
- erste Schritte zum autonomen Fahren testen (Krampnitz/Bornstedter Feld),
Einsatzmöglichkeiten auf der „letzten Meile“, d.h. von Wohngebieten zu
Haltestellen des ÖPNV.
Mobilitätswende für Klima- und Gesundheitsschutz
Der Autoverkehr ist in Potsdam für ca. 30% des CO2-Ausstoßes verantwortlich und
verbraucht gleichzeitig einen überproportionalen Anteil der Gesamtinvestitionen
in die Mobilität. Hier gibt es ein Gerechtigkeitsdefizit zulasten
umweltfreundlicher Verkehrsmittel sowie des Klimaschutzes. Motorisierter
Individualverkehr ist auch die Quelle für gesundheitsschädlichen Feinstaub,
Stickoxide und Lärm. Stadtplanung und Investitionen müssen daher eine
Mobilitätswende zum Ziel haben. Der Neubau einer Umgehungsstraße mit drittem
Havelübergang (Havelspange/Westtangente) würde Umwelt zerstören, neue Verkehre
anziehen und keine Entlastungswirkung haben. Er steht damit einer
zukunftsorientierten nachhaltigen Mobilität unvereinbar entgegen und wird von
uns vehement abgelehnt.
Dafür machen wir uns stark:
- mehr Gerechtigkeit bei Investitionen in den Verkehr: Diese sollen sich
zukünftig an den Anteilen der jeweiligen Mobilitätsformen am
Gesamtverkehrsaufkommen orientieren (Modal Split).
- Anteil des Autoverkehrs durch umweltverträgliche Mobilitätsformen
verringern.
- Elektro- und Hybridbusse (ÖPNV, Tourismusbusse) sowie Umrüstung älterer
Dieselbussen auf Elektroantrieb.
- Ausbau stadtweiter E-Tankstellen.
- Konzept und Förderung für umweltfreundlichen Wirtschaftsverkehr
(Lastenfahrräder, gebündelter Lieferverkehr), Förderung von Lieferverkehr
mit E-Lastenrädern (z.B. Paketdienste).
- Reduzierung des innerstädtischen LKW-Verkehrs durch geeignete Maßnahmen,
insbesondere an stark belasteten Straßen, z.B. Behlertstraße und Potsdamer
Straße.
- verstärkte Öffentlichkeitsarbeit, z.B. „Tag des ÖPNV“ in Potsdam
etablieren. Stärkere Bewerbung der flexiblen Nutzung und Kombination
umweltfreundlicher Verkehrsmittel.
- innovative Vernetzung der verschiedenen Verkehrsmittel des
Umweltverbundes.
- Prüfung zum Einsatz von Oberleitungsbussen auf einzelnen Strecken.
Verkehrssicherheit erhöhen
Verkehrsunfälle haben besonders für Fußgänger*innen und Fahrradfahrer*innen
ernste Folgen. Eine Verkehrsplanung die sich vorrangig an Fußgänger*innen und
Fahrradfahrer*innen orientiert, stellt damit die Sicherheit der Menschen und
nicht das Recht des Stärkeren in den Mittelpunkt.
Dafür machen wir uns stark:
- eine Stadt ohne Verkehrstote und Verletzte („Vision Zero“).
- Grundsätzlich Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit im bebauten Stadtgebiet;
Tempo 20-Zonen in Kita- und Schulbereichen.
- Ampelregelungen zugunsten Rad, Fuß und ÖPNV stärken. Grüne Welle für
Radfahrer und ÖPNV statt für Autos.
- LKWs der Stadt und der städtischen Betriebe mit Abbiegewarnsystem
ausstatten
- Stärkere Förderung von Verkehrsunterricht in den Schulen
- mehr Sicherheit für Radfahrer: wenn möglich Radwege baulich trennen, sonst
farbliche Kennzeichnung und Rubbelstreifen, Tempolimits für Autos,
Schutzstreifen (Radfahrstreifen auf der Fahrbahn) mit angemessener Breite
einrichten.
Dominanz des Autoverkehrs verringern - Lebensqualität
erhöhen
Die Potsdamer*innen leiden täglich unter Abgasen und verstopften Straßen. Die
Potenziale zur Reduzierung von Fahrzeugzahlen im täglichen Verkehr sollten
ausgeschöpft werden, um den Verkehr zu verflüssigen und Abgase zu vermeiden.
Ein großer Teil der Flächen in Potsdam wird vom Autoverkehr (Straßen und
Parkplätze) in Anspruch genommen. Wir wollen, dass insbesondere in der
Innenstadt und in anderen Wohnquartieren qualitätsvolle Freiräume zur Entfaltung
urbanen Lebens ohne Autoverkehr entstehen.
Dafür machen wir uns stark:
- In der Innenstadt den Bereich zwischen Schopenhauerstraße,
Hegelallee/Kurfürstenstraße, Hebbelstraße und Charlottenstraße autofrei
gestalten. Gutenbergstraße und Friedrich-Ebert-Straße sollen somit im
Innenstadtbereich autofrei und deutlich fahrradfreundlicher werden.
- In den Kiezen autofreie Stadtteilzentren schaffen. Dabei ist aber auch den
Bedürfnissen von mobilitätseingeschränkten Personen und
Einzelhändler*innen durch Ausnahmeregelungen (ggf. zeitlich beschränkt)
Rechnung zu tragen.
- Durchgangsverkehre verringern.
- Erhöhung der Parkkosten: Kosten für Anwohnerparken, Ausweitung der
Parkraumbewirtschaftung.
- Verringerung der vorhandenen PKW-Parkplätze bei gleichzeitigem Ausbau von
Park&Ride.
- Bebauungspläne nur noch mit einem Parkplatzangebot von 0.5 Fahrzeugen pro
Wohneinheit (nach dem Vorbild von Krampnitz).
- Abschaffung der Stellplatzsatzung, nach der die Zahl der Stellplätze beim
Neubau eines Gebäudes vorgeschriebenen wird. Dadurch werden Stellplätze
auch dann gefordert, wenn sich die Bewohner eines Hauses gegen ein eigenes
Auto entscheiden oder eine gute ÖPNV-Anbindung keine/wenige Stellplätze
nötig macht. Die Baukosten werden unnötig erhöht und führen damit auch zu
höheren Mieten.
- flexible Verkehrsregelungen an den Stadträndern, um einfließenden Verkehr
auf ein hinsichtlich Lebensqualität und Verkehrsfluss günstiges Maß zu
drosseln (z.B. Pförtnerampeln, LKW-Leitsystem).
- Reduzierung von Fahrzeugzahlen durch Carsharing-Initiativen, insbesondere
mit Elektrofahrzeugen, ggf. städtisches Carsharing einführen.
- Förderung von Mitfahrinitiativen (z.B. durch Kennzeichnung von Fahrzeugen,
die über Mitnahmekapazitäten verfügen).